Hallo an Alle!
Dieses Mal schreibe ich aus Deutschland. Wie die Meisten sicher wissen, haben wir beide Indien inzwischen wieder verlassen. Dieser letzte Blogeintrag für Indien ließ etwas auf sich warten, aber ich hatte schon wieder gut zu tun. Dafür ist er recht lang geworden. Ich hoffe, das genügt als Entschädigung.
Ich werde zunächst über unsere letzten Stationen berichten und danach darf natürlich ein kleines Fazit über dieses beeindruckende Land nicht fehlen.
Also: Wer sich noch an den letzten Eintrag erinnert, weiß, dass wir eine ziemlich lange Reise von Jaisalmer nach Amritsar erlebt haben. Es hat aber alles geklappt und auch die Verspätungen hielten sich in Grenzen…
In Amritsar gibt es ein paar Attraktionen, aber langsam neigte sich unsere Zeit dem Ende entgegen. Also machten wir einen Plan, wie wir in kurzer Zeit schnell viel erleben konnten.
Ein Highlight, dass wir uns nicht entgehen lassen konnten, war die Grenze zu Pakistan. Das bedarf wohl einer kleinen Erklärung: Schon seit Gründung der beiden Staaten gibt es Streit um ein Gebiet namens Kaschmir und deswegen sind die Beziehungen schlecht bis sehr schlecht. In letzter Zeit jedoch sehr sehr schlecht. Wer die Nachrichten verfolgt, hat ja den Abschuss der Kampfjets usw. mitbekommen.
Jedenfalls gibt es an einigen Grenzübergängen abends Zeremonien, die von beiden Ländern gemeinsam abgehalten werden. Dabei werden die Grenzen für die Nacht geschlossen und die Flaggen niedergeholt.
An dem Grenzübergang, der nur etwa 20 km von Amritsar entfernt ist (Wagah Border) hat dieses „Schauspiel“ mit der Zeit immer mehr Touristen angezogen und so kann man heute ein bizarres Spektakel erleben, das seinesgleichen sucht.
Es beginnt damit, dass man eine Straße entlang fährt, die kein Ende zu nehmen scheint (das lag aber wohl auch daran, dass der Bus sehr sehr alt war und quälend langsam fuhr). Kurz vor der Grenze muss man aussteigen und ist sofort von hunderten Souvenirhändlern umringt, die höchst aggressiv Indien-Fähnachen und Hüte mit der Aufschrift „I love my India!“ verkaufen wollen und Leuten Indienfahnen überall auf die Haut malen.
Dann kommt man in ein zur Grenze offenes Stadion für etwa 10-15 Tausend Menschen. Auf pakistanischer Seite gibt es das Gleiche, nur etwas kleiner. (Die genauen Zahlen kann ich leider nicht recherchieren, da Wikipedia heute aus Protest gegen Artikel 13 nicht erreichbar ist) In der Mitte eine kleine Aufmarschfläche und dann das Tor, das die eigentliche Grenze zu Pakistan markiert. Innerhalb des Stations wird von den Sicherheitskräften fein säuberlich zwischen Indern und Ausländern getrennt.
Eine halbe Stunde vor Beginn der Zeremonie kommt aus den Lautsprechern Bollywood-Musik in Club-Lautstärke (für die Älteren: Disco) und die Menschen werden ermutigt, mit großen Fahnen Richtung Grenze zu rennen und zu tanzen. Es ist eine richtige kleine Bollywood-Party, nur dass sie von Soldaten überwacht wird.
Irgendwann beginnt dann die Zeremonie, bei der Soldaten beider Länder immer wieder auf die Grenze zu laufen und dabei versuchen, die Beine möglichst hoch zu werfen, da dies früher den Gegner einschüchtern sollte. Man könnte sagen, dass das recht lustig aussieht. Teil der Zeremonie sind auch immer wieder Drohgesten Richtung Pakistan und das Richten der Schnurrbärte.
Die ganze Zeit ist ein Soldat dabei, der wie ein Cheerleader die Menschenmenge immer wieder antreibt, lauter zu schreien und zu jubeln, damit man nichts von Pakistan hört. Man konnte sehen, dass er seinen Job sehr liebt.
Irgendwann sind dann die Fahnen eingeholt und die Zeremonie ist vorbei. Die ganze Zeit über kommen übrigens Eis- und Süßigkeitenverkäufer vorbei. Es ist ein wenig wie im Kino.
Ich muss sagen, dass das Ganze eigentlich sehr sehr lustig wäre, wenn es nicht so einen ernsten Hintergrund hätte. Die Drohgesten und alles wirkt so gestellt, als entstamme es einem schlechten Kinofilm. Und ungefähr so habe ich mich dann auch gefühlt.
Natürlich gibt es bei YouTube einige Videos dazu, aber die Stimmung kann man einfach nicht einfangen. Es fällt mir auch schwer, das ganze hier so in Worte zu fassen, dass ihr das nachvollziehen könnt.
Am nächsten Morgen (oder besser gesagt mitten in der Nacht) ging es dann auch für mich zum Goldenen Tempel. Clemens hatte diesen ja bereits besucht und deshalb will ich an dieser Stelle nicht allzu viel darüber schreiben. Aber ich muss sagen, dass auch ich sehr beeindruckt war. Vor allem auch von den Werten, die die Sikh vertreten und leben.
Dass Sie ihre Gotteshäuser für alle öffnen und glauben, dass jeder darin seine Götter anbeten kann, finde ich sehr toll. Alle anderen Religionen sollten sich meiner Meinung nach davon eine Scheibe von abschneiden!
Noch am gleichen Tag machten wir uns auf den Weg nach Dharamsala, denn wir wollten noch ein bisschen Natur genießen und vor allem den Städten entfliehen. Diese Stadt liegt sozusagen an den ersten Ausläufern des Himalaya, aber die Berge sind trotzdem schon sehr einschüchternd.
Und so machten wir uns mit den Lokalbussen auf den Weg. Diese sind immer sehr alt, klapprig, voll und langsam. Clemens pflegt jedoch zu sagen: „Irgendwann kommt man immer an“ und so auch dieses Mal. Jedoch dauerte es dieses Mal wirklich ewig. Das lag auch daran, dass diese Busse nicht immer zu dem Ort fahren, der am Schild dran steht. Und so muss man manchmal an irgendeiner Kreuzung aussteigen und in den nächsten Bus wechseln. Haltestellen oder sonstige Hinweise gibt es dabei oft leider nicht, das Handy mit GPS macht einem das Leben da sehr viel einfacher und ist absolut essenziell!
Gegen 23 Uhr hatten wir es dann schließlich geschafft. Tatsächlich waren wir nicht in Dharamsala selbst, da diese Stadt ebenfalls nicht besonders schön ist. Ausgangspunkt für die meisten Wandertouren sind nahe Orte wie McLeod Ganj, in dem auch unser Hostel war. Hier hat der Dalai Lama und viele Tibeter Exil gefunden, nachdem sie aus Tibet geflohen waren. Während unseres Aufenthaltes war das 60. Jubiläum des Aufstandes gegen die chinesische Besatzung Tibets, sodass man viele Mönche sehen konnte. Es fühlte sich tatsächlich nicht mehr so an, als sei man in Indien.
Es war ziemlich kalt, was bei der Höhe nicht besonders verwunderlich ist. Allerdings war der Winter dieses Jahr besonders lang und bis vor etwa zwei Wochen hatte es geschneit. Isolierte Häuser gibt es hier nicht und die Fenster sind so dünn, dass man ständig denkt, sie wären offen. Gott sei Dank hatte unser Hostel genug Decken, sodass man Nachts nicht frieren musste.
Am ersten Tag unternahmen wir eine kleine Wanderung, zunächst zu einem Wasserfall in der Nähe und dann zu einem See. Anschließend marschierten wir ins Dorf und besichtigten den Haupttempel des Dalai Lama. Wir waren am Ende trotzdem wieder viele viele Stunden gelaufen und fühlten uns bereit für den Triund Trek, den wir am nächsten Tag in Angriff nehmen wollten.
Wir starteten am Morgen und es ging sehr schnell sehr viele Höhenmeter hinauf. Die Sicht war mittelmäßig, aber man konnte erahnen, wie weit man gucken können würde, wenn das Wetter besser wäre. Schließlich erreichten wir die Schneegrenze und an dieser Stelle drehten wir um, da es doch sehr rutschig wurde und wir nicht die besten Schuhe zum Bergsteigen hatten. (Der einzige richtige Nachteil beim Reisen nur mit Handgepäck ist, dass man nur ein Paar Schuhe mitnehmen kann)
Aber mit der Schneegrenze hatten wir unser erklärtes Ziel erreicht und wir hatten es geschafft, innerhalb einer Woche sowohl 30 °c als auch Schnee zu sehen!
Nach drei Nächten in Dharamsala nahmen wir den Nachtbus nach Delhi. Entgegen aller bisherigen Erfahrungen war dieser sogar überpünktlich am Ziel, sodass unsere Nacht recht kurz und nicht sehr erholsam war. Den Tag nutzten wir, um noch ein paar letzte Punkte von unseren Shoppinglisten zu erledigen. Außerdem besuchten Davis und ich auch noch das Regierungsviertel. Die Bauwerke dort sind architektonisch sehr interessant und der größten Demokratie der Welt auf jeden Fall angemessen. Später genossen Clemens und ich noch ein letztes gemeinsames Abendessen. Erst in ein paar Monaten (so genau weiß das ja keiner) wird es das wieder geben…
Gegen um 10 Uhr abends machte ich mich auf den Weg zum Flughafen. Kurz vorher hatte ich eine E-Mail bekommen, dass mein Flug nun über Amsterdam nach Frankfurt und erst dann nach Berlin gehen würde, da der pakistanische Luftraum für internationale Flüge gesperrt war. Und das sorgte für Spaß, denn obwohl ich mehr als drei Stunden vor dem Flug am Flughafen war, musste ich schließlich zum Flugzeug sprinten.
Wir hatten schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man oft einfach irgendeine Antwort bekommt, wenn man um Auskunft fragt. Anscheinend ist es unüblich zuzugeben, dass man von etwas keine Ahnung hat. Jedenfalls wurde ich von Schalter zu Schalter geschickt und so verging die Zeit und die Startzeit kam immer näher. Aber ich schaffte es noch rechtzeitig zum Flugzeug, dass dann jedoch noch etwa eine Stunde auf dem Rollfeld stand, ohne abzuheben und dann schließlich einen riesengroßen Umweg um ganz Pakistan fliegen musste.
In Amsterdam sprintete ich wieder durch den Flughafen und schaffte auch den nächsten und übernächsten Flieger. Tatsächlich hatte ich am nächsten Tag vom Flugzeugfliegen Muskelkater, wer hätte das gedacht!
In Berlin angekommen war alles wie immer und die Busfahrer streikten. Trotz allem schaffte ich es irgendwann nach Rostock, wo ich todmüde ins Bett fiel. Die nächsten drei Tage verbrachte ich damit, für eine Klausur zu lernen. Das Ergebnis dafür steht noch aus, man darf also die Daumen drücken!
Dass dieser Blog so lange gedauert hat, hat auf jeden Fall den Vorteil, dass ich nun schon etwas Abstand habe und die Reise etwas „verarbeiten“ konnte. Wenn mich jemand fragt wie es so war sage ich meistens: „Laut, es stinkt und die Leute sind recht unfreundlich“. (Und natürlich, dass die Leute den BLOG lesen sollen!)
Dennoch war es auf jeden Fall eine exrem interessante Erfahrung, die ich keinesfalls bereue. Und das liegt nicht nur an der schönen Zeit mit Clemens… Auf jeden Fall weiß ich noch mehr zu schätzen, dass wir in einem solch privilegierten und (meist) gut organisierten Staat leben. Ich finde, man sollte dieses Land, dass in ein paar Jahren wohl die meisten Einwohner auf der Welt haben wir, auf jeden Fall einmal besuchen. Man kann dann auch die Denk- und Handlungsweisen der Inder viel besser verstehen. Aber dass Reisen den Horizont erweitert, ist ja eigentlich nichts neues…
Ich war ehrlich gesagt trotzdem auch ganz froh, wieder zu Hause zu sein. Man merkt einfach, dass man nicht so wirklich nach Indien passt.
Mit diesen Worten endet meine Autorenschaft in diesem Blog wohl, dieses Mal endgültig. Wer hätte vor Beginn von Clemens Reise, damals im Juli 2017, gedacht, dass ich noch ein zweites Mal die Chance haben würde, hier etwas zu schreiben…
Ich danke allen Leserinnen und Lesern ganz ganz herzlich fürs Lesen dieser Beiträge, die interessierten Rückfragen und die positiven Kommentare.
Obwohl so ein Beitrag sehr sehr viel Arbeit macht, haben wir uns immer wieder gerne für euch (und natürlich auch ein bisschen für uns) hingesetzt und in die Tastatur gehackt, bei schlechtem Internet versucht, Bilder hochzuladen, den Text umformuliert usw.
Ich wünsche allen weiterhin viel Spaß, die nächsten Stationen auf Clemens Reise sind auf jeden Fall nicht weniger interessant, aber sehr anders.
Lukas
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